Diese wichtige Frage stellen die späteren Betreiber in der Planungsphase ihrer Videoüberwachungsanlage. Dahinter steht der Wunsch nach Rechtssicherheit für das Vorhaben. Für private (privatwirtschaftliche) Betreiber von Videoanlagen ist unter anderem das Bundesdatenschutzgesetz relevant. Dort wird die Zulässigkeit einer Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume an die Bedingung geknüpft, dass diese „zur Wahrnehmung des Hausrechts oder zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen“. Eine Formulierung, die Spielräume für den konkreten Einzelfall offen lässt und individuell betrachtet werden muß.
In der Sicherheitsbranche und von den Datenschutzbeauftragten der Unternehmen höre ich immer wieder, dass ein Meter öffentlich zugänglicher Raum mit Kameras überwacht werden darf. So steht es allerdings nicht im Gesetz. Es gibt nach meinen Recherchen nur ein einziges Urteil, dass diesen Meter konkret benennt. Ein Urteil von der untersten gerichtlichen Instanz – einem Amtsgericht. Ein Urteil aus dem Jahre 2003. Anders betrachtet gibt seit 13 Jahren niemanden, der über mehr als diesen einen Meter vor einem deutschen Gericht gestritten hätte.
In der Presse heißt es damals „Das Berliner Kulturkaufhaus Dussmann muss seine Videoüberwachung vor dem Gebäude in der Friedrichstraße deutlich einschränken.“ (Berliner Zeitung 23.12.2003, Abgerufen 5.8.2016). Das liest sich für mich wie ein Sieg des Klägers und wie ein Urteil gegen die Videoüberwachung. Eine oberflächliche Betrachtung, die die Betreiber von Videoüberwachungsanlagen verunsichern kann. Dabei hatte der Kläger mit dem Urteil nur einen kleinen Teilerfolg erzielt. Der Kläger hatte eine vollständige Deaktivierung der Videoüberwachung angestrebt. Der Kläger wollte den Streit sogar vor dem Landgericht austragen. Das wurde allerdings abgewiesen und der Berliner Journalist fand nur beim Amtsgericht Gehör.
Das Berliner Kaufhaus Dussmann wurde von einem Journalisten verklagt, der dort tagsüber 70-80 mal pro Jahr zu Fuß vorbei geht und monatlich 5-6 mal in den Abendstunden. Wegen der Videokameras könne er den öffentlich zugänglichen Raum nicht unbefangen und frei von Überwachungsdruck nutzen.
Die Berliner Zeitung fasste den Vorgang am 23.12.2003 zusammen:
„Das Berliner Kulturkaufhaus Dussmann muss seine Videoüberwachung vor dem Gebäude in der Friedrichstraße deutlich einschränken. Das Amtsgericht Mitte untersagte es dem Unternehmen, das Publikum in den Arkaden an der Friedrichstraße weiter umfassend zu Filmen. Anlass war die Klage eines Passanten, der sich auf seinem Weg durch Berlin-Mitte ständiger Überwachung durch private Kameras ausgesetzt sah. Dussmann argumentierte, die Arkaden seien Privateigentum der Firma, was einen Schutz per Kameraüberwachung einschließe. Das Gericht folgte aber der Auffassung des Klägers, wonach der Arkadengang faktisch öffentliches Straßenland sei, das nicht unbegrenzt von Privaten überwacht werden dürfe.“ Berliner Zeitung 23.12.2003
Das Urteil vom Amtsgericht Berlin-Mitte lautet:
„1. Die Beklagte (Dussmann) wird verurteilt … die Videoüberwachung mittels der Videokamerasysteme (Anzahl: 3) im Bereich des … zu unterlassen, soweit diese über einen 1 Meter breiten Streifen entlang der Schaufensterseite sowie einen 1 Meter breiten Streifen links und rechts der Arkadensäulen einschließlich des darüber befindlichen Luftraums hinausgeht.“ Amtsgericht Berlin-Mitte AZ 16 C 427/02 verkündet am 18.12.2003
Stephan Beckmann
August 2016
Quellen:
Berliner Zeitung 23.12.2003 (online)
Amtsgericht Berlin-Mitte Urteil vom 18.12.2003 AZ 16 C 427/02
Amtsgericht München Urteil vom 20.03.2015, AZ 191 C 23903/14
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