Ein aktueller Fall zum Thema Datenschutz und Videoüberwachung beschäftigt Facherrichter, Planer und Betreiber von Videoüberwachung. Hätte eine rechtzeitige Mediation ein besseres Ergebnis für die Betroffenen erzielen können?

DER STREIT VOR GERICHT


Eine Klägerin aus Bad Salzuflen fühlt sich durch Überwachungskameras des Nachbarn beobachtet und die Richter geben ihr recht. Ein Unternehmer muss jetzt zwei seiner Kameras von seinem Grundstück entfernen. Seine Nachbarin hatte erfolgreich vor Gericht geklagt, weil sie sich in Ihrem Persönlichkeitsrecht beschränkt fühlt.

Mit ihrer Entscheidung vom 8.7.2015 hat die Berufungskammer am Landgericht Detmold eine Entscheidung des Amtsgerichtes Lemgo vom Februar bestätigt.

Als Sicherheitsberater und Wirtschaftsmediator hätte ich allen Beteiligten einen anderen Verlauf gewünscht. Hier ein Gedankenspiel mit einem alternativen Szenario. In dieser Angelegenheit spricht vieles dafür, dass ein Mediationsverfahren die bessere Variante gewesen wäre. Da ist die emotionale Komponente, weil die Klägerin und der Beklagte Nachbarn sind, sich also Tag für Tag an den Streit erinnern werden. Und die sachliche Komponente, dass Betreiber einer Videoüberwachung in Deutschland ein Prozessrisiko eingehen.

DIE POSITIONEN DER ZERSTRITTENEN PARTEIEN


Aus dem ihrem jeweils eigenen Blickwinkel hat jede Partei gute Gründe für ihr Handeln angeführt. Am Ende hat der Unternehmer den Prozess verloren und zehn Tage Zeit, die strittigen Kameras abbauen zu lassen, ansonsten droht Ihm Besuch vom Gerichtsvollzieher. Die Kosten für das Verfahren muss er auch noch tragen.

DIE POSITION DES UNTERNEHMERS

Der Unternehmer hat Ende 2012 eine Videoüberwachungsanlage installieren lassen, weil er sein Eigentum – Büroräume und eine Halle – vor Einbrüchen und Vandalismus schützen wollte. Außerdem gab der Mann an, dass die Nachbarin regelmäßig unerlaubt sein Grundstück befahre, dort wende oder gar ihr Auto abstelle. Insgesamt vier Kameras nehmen bei Bewegung Bilder auf und werden für vier Wochen gespeichert. Zwei Kameras waren auf das Haus der Nachbarin gerichtet.

DIE POSITION DER NACHBARIN

„Das ging so weit, dass fast bis ins Schlafzimmer gefilmt werden konnte. Der Eingangsbereich konnte fokussiert werden. Und man konnte sehen, wann meine Mandantin den Müll rausbrachte und wer zu Besuch kam“

sagte Rechtsanwalt Heiko Hadjian aus Bad Salzuflen der Presse. Die Klägerin begründete den juristischen Schritt damit, dass sie den Gedanken, Tag und Nacht überwacht zu werden, nicht ertragen könnte.

(siehe auch Überwachungsdruck)

DAS GERICHT ENTSCHEIDET


Insgesamt ist das Amtsgericht daher zu der zutreffenden Einschätzung gelangt, dass sich vorliegend nicht feststellen lasse, dass bei der durchzuführenden Interessenabwägung die berechtigten Interessen des Beklagten (Prävention vor und Aufklärung von Straftaten oder schadensersatzrechtlich relevanten Verhaltensweisen der Wegenutzer) das Recht der Klägerin auf informationelle Selbstbestimmung überwiegen.

WIE HÄTTE EIN MEDIATIONSVERFAHREN ABLAUFEN KÖNNEN?


Aus dem Urteil ist zu entnehmen, dass die Zuwegung zum Grundstück der Klägerin schon immer über das Grundstück des Unternehmers verläuft. Dieser Sachverhalt hätte schon bei der Planung der Videoüberwachung berücksichtigt werden sollen. Ob das Verhältnis der Nachbarn schon vor Installation der Kameras angespannt war ist nicht belegt. Die Position des Unternehmers legt die Vermutung nahe, dass er sich bereits vorher über seine Nachbarin geärgert hat und die Sache nie geklärt wurde. An dieser Stelle kann der Mediator bereits helfen und die Kommunikation zwischen den Parteien reparieren oder zumindest eine tragfähige Vereinbarung anstreben.

Der Unternehmer hätte mich in der Planungsphase ansprechen können. Dann hätten wir Kontakt zu seiner Nachbarin aufgenommen und um einen gemeinsamen Termin gebeten. Allein durch die Anwesenheit einer neutralen Person verläuft ein solcher Termin meist anders, als von den Parteien erwartet. Jetzt ist eine Reparatur der Kommunikation die primäre Aufgabe. Die Parteien werden unterstützt, damit sie respektvoll miteinander reden können. Im Termin hätten wir dann die Themen gesammelt – der Unternehmer möchte die Videoüberwachung installieren lassen und die Benutzung der Zufahrt mit der Nachbarin klären. Über weitere Themen der Nachbarin ist nichts bekannt.

INTERESSEN ERKUNDEN


Die Interessen beider Parteien klingen in der Presseerklärung an – der Unternehmer möchte sein Eigentum schützen und seine Grundstücksgrenzen respektiert wissen.

Die Nachbarin möchte zum Haus gelangen, ohne dabei gefilmt zu werden und im Haus ihre Privatsphäre haben.

In einer respektvollen Kommunikation dürfte es beiden gelingen, für die Bedürfnisse des Anderen ein angemessenes Maß an Verständnis aufzubringen. Genau hier liegt oft das Problem. Je stärker ein Konflikt eskaliert desto mehr schwindet der Respekt. Wenn ein Wort das andere gibt und die Dinge nicht mehr vernünftig besprochen werden können,dann wird es Zeit für deskalierende Maßnahmen. Leider fehlt es weithin an Erfahrung um die positive und heilende Kraft einer Mediation und der Streit landet reflexartig erst beim Anwalt und dann vor Gericht.

Im weiteren Verlauf der Mediation würden die Nachbarn bereits wieder miteinander sprechen und eigene Lösungsvorschläge einbringen. Jetzt startet ein kreativer Prozess, mit ganz neuen Sichtweisen und Ideen. Am Ende hätte man sich vielleicht auch nur auf zwei Überwachungskameras einigen können und im Gegenzug hätte es eine bessere Regelung für die Nutzung der Zufahrt gegeben. Dabei viel Zeit und Geld gespart – vor allen Dingen aber das Verhältnis mit dem Nachbarn verbessern können.

Selbst wenn der Unternehmer sich erst in dem Moment an einen Mediator gewandt hätte, als ihm die Klage ins Haus geflattert ist, stünden die Chancen für eine gütliche Einigung noch gut. Bei Parteien haben jederzeit die Möglichkeit, eine angestrengte Klage zugunsten einer Mediation ruhen zu lassen. Die Startphase dauert in solchen Fällen länger, weil die Kommunikation jetzt schon deutlich gestört wurde und schon mehr Porzellan zerbrochen ist, als beabsichtigt. Unterm Strich lohnt sich der Versuch, denn 85% aller Mediationen enden mit einem konstruktiven Ergebnis im Sinne aller Parteien.

Stephan Beckmann

Juli 2016

Quellen:
Landgericht Detmold LG 2015 10_S_52_15

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